2022: In diesem Jahr feiert nicht nur die BMW M GmbH ihr 50-jähriges Jubiläum. 1972, im Jahr der Gründung des damals noch unter dem Namen BMW Motorsport GmbH firmierenden Unternehmens, trat zeitgleich ein ganz besonderes Konzeptfahrzeug ins Licht der Öffentlichkeit: der BMW Turbo. Ein Name, kurz, präzise und klar, genau wie das Design des einzigartigen Automobils. Es stammt aus der Feder des damaligen BMW Chefdesigners Paul Bracq, und der formulierte den Ansatz dieser Studie so: „Das Maß der Dinge ist der Mensch. Heute bauen wir von innen nach außen. Es muss eine intime menschliche Zelle sein, in der wir fahren. Ein Auto muss passen wie eine zweite Haut.“ Und auch unter der Haut lag der Fokus des Prototyps, der einen Ausblick auf den BMW M1 gab, ganz auf einem Thema: Zukunft. Wir wollen beleuchten, warum der BMW Turbo so besonders ist und warum er bis heute fasziniert.
5 STARKE FAKTEN:
- Legendäres Concept Car von BMW
- 2,0 Liter Vierzylinder-Turbo-Motor mit 280 PS
- Ausblick auf den ab 1978 gebauten BMW M1
- Läutete die Designära der „Haifischfront“ ein
- Vorreiter im Bereich Fahrassistenzsysteme
SPEKTAKULÄRES DESIGN.
Utopisch, visionär, aerodynamisch.
Paul Bracq zeichnete den BMW Turbo mit wenigen klaren Linien, extrem flach und mit vielen visionären Designelementen. So fielen zunächst vor allem die großen und üppig verglasten Flügeltüren auf, die sich für den Einstieg weit nach oben öffnen ließen. Die spitz zulaufende Front mit der leicht zurückgeneigten BMW Niere – das Design sollte später als „Haifischfront“ bekannt werden – geht auf Bracq und den BMW Turbo zurück.
Ein übergreifendes Thema beim Turbo war die Aerodynamik: Zu diesem Zweck zierten die Front neben den schmalen, in die Schürze eingelassenen Blinkern zwei Klappscheinwerfer. Abdeckungen für die Hinterräder verbesserten die Stromlinienform weiter. Auch das Heck und der Unterboden waren nach den neuesten Erkenntnissen der Aerodynamik designt.
Ein weiteres, besonderes Merkmal des BMW Turbo ist die feine, das gesamte Fahrzeug umlaufende Linie. Sie steigt vom Vorder- zum Hinterwagen leicht an und verleiht dem Konzeptfahrzeug eine unvergleichliche Dynamik. Sie verändert die Wahrnehmung der Gürtellinie und lässt die Karosserie noch flacher wirken. Es ist ein Designelement, das später übrigens auch bei Sportwagen wie dem Ferrari 288 GTO oder dem F40 zur Anwendung kam.
BEEINDRUCKENDE TECHNOLOGIE.
Sicherheit als Thema, Fahrdynamik als Anspruch.
Sieht aus wie ein Sportwagen, fährt wie ein Sportwagen, war aber zugleich ein „rollendes Versuchslabor“: Der BMW Turbo wurde zunächst als Gegenentwurf zu den damals eher schwerfälligen Prototypen anderer Hersteller zum Thema Fahrzeugsicherheit entwickelt. Bei BMW war man der Meinung, dass eine hohe Sicherheit für Insassen und Verkehrsteilnehmer nicht mit wuchtigen Konstruktionen und klobigen Anbauteilen einhergehen müsse.
Den Beweis lieferte man mit dem BMW Turbo. Der Sicherheitsanspruch wurde an vielen Stellen des Fahrzeugs hervorgehoben: So bietet die Karosserie des BMW Turbo zum Beispiel eine besonders gute Rundumsicht, ein toter Winkel sollte möglichst vermieden werden. Mit einer ausgeglichenen Achslastverteilung trugen die Ingenieure zudem einem sicheren und zugleich dynamischen Fahrverhalten bei. Die knallige Lackierung wurde für eine gute Sichtbarkeit gewählt.
DER ERSTE BMW MIT ABS.
Ebenfalls völlig neu im BMW Turbo: Fahrerassistenzsysteme. Heute kaum mehr wegzudenkende Fahrassistenten wie das Antiblockiersystem (ABS) für Notbremsungen oder der Abstandswarner waren in den 1970er-Jahren noch gänzlich unbekannt. So lässt sich die Innovationsleistung im BMW Turbo aus heutiger Sicht auch kaum überschätzen: Neben ABS und Querbeschleunigungsmesser verfügte das Concept Car über ein Radar-Abstandswarngerät sowie ein umfassendes, passives Sicherheitspaket. Zu diesem gehörten etwa Sicherheitsgurte, die zunächst angelegt werden mussten, bevor der Motor gestartet werden konnte. Auch die speziell gestaltete Sicherheitslenksäule mit drei Kardangelenken, in das Dach fortgesetzte Türpfosten und neuartige Crash-Strukturen mit hydraulischen Stoßdämpfern an Front und Heck ließen den BMW Turbo zu einem regelrechten Zukunftsvisionär in Sachen Sicherheitstechnik werden.
DER FAHRER IM MITTELPUNKT.
Die beeindruckenden Innovationen zum Thema Sicherheit führten auch zu einem Designkniff, der viele nachfolgende Generationen von BMW und BMW M Fahrzeugen geprägt hat: das fahrerorientierte Cockpit mit der leicht zum Fahrer angewinkelten Mittelkonsole. Der ursprüngliche Gedanke bei diesem Interieur war, auch angeschnallt alle relevanten Schalter zu erreichen, ohne sich dabei nach vorne beugen zu müssen. Chapeau – bis heute assoziieren nicht nur BMW Fans aus aller Welt das angewinkelte Cockpit mit dem Hersteller aus München. Bereits 1975 ging es mit der ersten Generation der BMW 3er Reihe in Serie.
280 PS: leistete das aufgeladene Zweiliter-Aggregat im BMW Turbo. Ab 1973 wurde der Motor im BMW 2002 turbo in Serie gebaut – dort allerdings mit 170 PS.
MITTELMOTORKONZEPT – ABER QUER.
Ein weiteres Novum des BMW Turbo war sein Chassis. Als Mittelmotorsportwagen konzipiert, konnten die Entwickler mehrere Vorteile dieser Grundkonstruktion nutzen. Der niedrige Schwerpunkt und die optimale Gewichtsverteilung durch den hinter der Fahrgastzelle positionierten Motor resultierten in einem sehr dynamischen Fahrverhalten. Fortschrittlich war dabei auch die Wahl der Antriebsquelle: Der Vierzylinder-Reihenmotor mit 2,0 Litern Hubraum war kompakt und leistete je nach Ladedruck des Turboladers zwischen 200 und 280 PS.
Der kraftvolle Vierzylinder, der ab 1973 auch im BMW 2002 turbo Verwendung fand, hatte im BMW Turbo eine für Mittelmotorsportwagen ungewöhnliche Einbauposition: Er war nicht wie in dieser Fahrzeugklasse üblich längs zur Fahrtrichtung, sondern quer montiert und über vier groß dimensionierte Gummilager mit der Bodengruppe verbunden. Die Position des Motors ermöglichte eine sehr gute Gewichtsverteilung trotz des vergleichsweise kurzen Radstands des BMW Turbo.
NUR ZWEI EXEMPLARE WURDEN JEMALS GEBAUT.
Der BMW M1 profitierte von der Entwicklung.
Der BMW Turbo löste bei seiner Vorstellung auf dem Autosalon in Paris 1972 sofort Begeisterung aus. Auch auf der IAA in Frankfurt 1973 erregte die Studie großes Aufsehen. Die Nachfrage von mehreren, internationalen Ausstellungen war so groß, dass man sich bei BMW entschied, ein zweites Modell mit geringfügigen Änderungen zu bauen.
Die Entwicklung war jedoch auch nach der großen Welttournee des BMW Turbo nicht am Ende. Das Fahrzeug wurde von Ingenieuren mehrerer Fachrichtungen weiter getestet und unter die Lupe genommen. Insbesondere im Windkanal wurde die Karosserie weiter verfeinert, um einen möglichst geringen cw-Wert zu erreichen. Die Bemühungen kamen dem ab 1978 gebauten BMW M1 zugute, der einen fast gleichen Luftwiderstandsbeiwert aufweist, wie der BMW Turbo seinerzeit.
DAS DESIGN: PREISGEKRÖNT.
20 Jahre nach seiner Vorstellung erhielt der BMW Turbo beim Concours d’Élégance de Bagatelle in Paris 1992 mit seinem außergewöhnlichen und faszinierenden Design den ersten Preis. Ein Jahr später schaffte es der einzigartige Sportwagen sogar in eine Kunstausstellung: Im Kunsthaus Wiesbaden wurde der BMW Turbo gemeinsam mit Gemälden und Skulpturen von Paul Bracq ausgestellt – der ehemalige BMW Chefdesigner war schon damals auch in der Kunstwelt kein unbeschriebenes Blatt.
Heute kann eines der BMW Turbo Modelle im BMW Museum in München und das andere im BMW Zentrum in South Carolina besichtigt werden. Sein Wert? Da das Concept Car es nie in private Hände geschafft hat, lässt sich das nicht beziffern. Für BMW und die technologische Entwicklung im Automobilbau vor mehr als 50 Jahren dürfte das aber ohnehin geklärt sein: unbezahlbar.
Technische Daten BMW Turbo
Motor: Vierzylinder-Mittelmotor mit Turboaufladung
Hubraum: 1.990 cm³
Leistung: 206 kW (280 PS) bei 7.100/min
Getriebe: Viergang manuell
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
0–100 km/h: ca. 6,6 Sekunden
Gewicht: 1.272 kg
Länge: 4.155 mm
Breite: 1.880 mm
Höhe: 1.100 mm
Radstand: 2.400 mm
Produktionszahl: 2