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DER ERSTE SEINER ART.

DER ERSTE SEINER ART.

4 min Lesedauer

BMW 2002 turbo E20.

Dieser BMW widersprach dem Zeitgeist: Der BMW 2002 turbo mit innovativer Technik und viel Leistung ist heute ein Sammlerstück.

26. Juli 2021

Als der BMW 2002 turbo seine Premiere feiert, blickt die Welt gebannt auf die Entwicklung des Ölpreises. Das schwarze Gold verteuert sich 1973 rasend schnell. Wo die preisliche Entwicklung enden wird, das weiß damals niemand. Die Reaktion der Bundesregierung ist eindeutig: Um wertvollen Treibstoff zu sparen ordnet sie vier autofreie Sonntage und ein sechsmonatiges generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen an. Sprit sparen per Energiesicherungsgesetz ist plötzlich angesagt.
Wer hätte in diesem Kontext gedacht, dass ein Automobil mit 170 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von deutlich über 200 km/h, zu einem wichtigen Fahrzeug des Zeitgeschehens werden würde? Vermutlich niemand. Ist aber wahr, denn der BMW 2002 turbo ist der Vorreiter aller Verbrennungsmotoren mit Abgasturbolader. Technisch gesehen, also der First Mover unzähliger Serienautos aller Marken die seiner Technologie bis heute folgen.

Die Abrisskante auf dem Kofferraumdeckel war in den 1970er-Jahren ein untrügliches Zeichen für sportliche Ambitionen. Technisch betrachtet sorgte der Heckspoiler vor allem für weniger Auftrieb.

HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT 211 KM/H.

Die glücklichen Erstbesitzer des BMW 2002 turbo E20, der ab Oktober 1973 als neues Topmodell der erfolgreichen BMW 02er Reihe von den Bändern läuft, müssen sich also in Geduld üben, bevor sie das erste Mal die Tachonadel ihres Zweitürers in Richtung 211 km/h stürmen sehen. Das ist die für damalige Verhältnisse äußerst beeindruckende Höchstgeschwindigkeit des Turbo-Debütanten. Damit spielt der BMW 2002 turbo in den 1970er-Jahren in der höchsten Liga – mit ihm löst man quasi eine Dauerkarte für die linke Spur auf der Autobahn.

5 STARKE FAKTEN:

  • Leistung: 125 kW (170 PS)
  • Drehmoment: 240 Nm
  • Hubraum: 1.990 cm³
  • 0-100 km/h in 7,0 Sekunden
  • Vmax: 211 km/h
BMW 2002 turbo Seitenansicht

Die zusätzlichen Kotflügelverbreiterungen aus Kunststoff lassen erahnen, welche Kraft im BMW 2002 turbo steckt. Für den Einsatz auf der Rennstrecke waren sie mit der Karosserie verschraubt und konnten für noch breitere Reifen leicht abmontiert werden. Aus heutiger Sicht als bescheiden empfunden – die Reifengröße von 185/70 HR 13 auf 5,5- oder 6-Zoll-Stahlfelgen, damals aber eine unmissverständliche Ansage.

DER BMW VIERZYLINDER.

Motor und Turbolader des BMW 2002 turbo

Technische Zeichnung des Kühnle Kopp und Kausch Abgasturboladers im BMW 2002 turbo.

Angetrieben wird der BMW 2002 turbo vom bewährten Vierzylinder, der auch die Typen 2002 ti (1968-1972) und 2002 tii (1971-1975) zu veritablen Sportlern macht. Der Reihenmotor M10 mit zwei Litern Hubraum gilt als verlässlich. Im 2002 ti entwickelt er 88 kW (120 PS) bei 5.500 Umdrehungen pro Minute, im 2002 tii leistet er mit Saugrohreinspritzung von Kugelfischer 96 kW (130 PS) bei 5.800 U/min. Mit dem Turbolader der Firma Kühnle, Kopp und Kausch (KKK) aus der Pfalz kommen noch einmal 40 PS und 63,5 Nm obendrauf, macht 125 kW (170 PS) bei 5.800 U/min und 240 Nm bei 4.000 Touren. Um die Pferdestärken sicher wieder einzufangen, kommen an den Vorderrädern innenbelüftete Scheibenbremsen zum Einsatz und an der Hinterachse größere Trommelbremsen als beim Serienpendant.

85,4 PS/l

1973 war die Literleistung des aufgeladenen Zweiliter-Aggregats des BMW 2002 turbo mit 85,4 PS/l mehr als beachtlich.

SPIEGELSCHRIFT SPALTET DIE GEMÜTER.

Auf dem eindrucksvollen Stoßfänger vorn steht in Spiegelschrift auf der einen Seite „2002“, auf der anderen „turbo“. Der originelle Ansatz, dem Vordermann im Rückspiegel lesbar zu suggerieren, er möge doch bitte kurz Platz machen, kommt in Zeiten staatlich verordneter Sparsamkeit nicht bei allen Zeitgenossen gut an. Darum kommt der Aufdruck nie nennenswert zum Einsatz. Was sichtbar bleibt, sind die charakteristischen Blau-Violett-Rot-Töne der BMW Motorsport GmbH, dem Vorgänger der M GmbH. Als Karosseriefarbe ist für den athletischen Sportler lediglich Weiß oder Silber vorgesehen.

Wer Spiegelschrift lesen kann, ist klar im Vorteil – andere müssen in den Rückspiegel schauen. Auf der Straße kam der von vielen Zeitgenossen als provokativ empfundene Schriftzug nicht serienmäßig zum Einsatz.

LEGENDÄR – DER TURBOKICK.

Kraft und Vorwärtsdrang, Turbokick, unbedingter Beschleunigungswille – die Ausstrahlung des kompakten BMW 2002 turbo ist überaus sportlich. 4.220 mm lang, nur 1.630 mm breit und mit kleinen 13-Zoll-Rädern bestückt, wirkt das potente Leichtgewicht mit seinen auffälligen Kotflügelverbreiterungen wie ein Ringer im Protektorenhemd. Der Look suggeriert schon aus der Ferne, dass in diesem Fahrzeug Motorsportambitionen stecken. Um die Vorderradaufhängung kümmern sich McPherson-Federbeine mit Schraubenfedern und Drehstabstabilisator, hinten federt eine Schräglenkerachse. Vier Gänge bietet das manuelle Schaltgetriebe, optional sind es fünf.

Die Beachtung, die der BMW 2002 turbo damals auslöst, ist groß und wird dem performantem Anspruch an ein M Automobil durchaus gerecht. Daran hat sich bis heute nichts geändert. „Auto Bild“ beschreibt es so: „18.720 Mark, also rund 9.400 Euro für den schärfsten aller BMW, das klingt nach Druckfehler, war aber 1973 der tatsächliche Kaufpreis.“  

1.080 kg

beträgt das Leergewicht des BMW 2002 turbo.
BMW 2002 turbo auf dem Laguna Seca Raceway

Ab durch die Mitte: Von null auf 160 km/h beschleunigte der BMW 2002 turbo in 18 Sekunden.

PRÄDESTINIERT FÜR SCHNELLE RUNDEN.

7,0 Sekunden von null auf 100 km/h – dieser Wert ist in den 1970er-Jahren eine Wucht. Bei 4.000 Touren übernimmt der Abgasturbolader das Kommando, und die Leistung beginnt, wie die „Auto Zeitung“ (13.12.2017) schreibt, „regelrecht zu explodieren. Das Wort Turboloch umschreibt nur verharmlosend, wie schlagartig die volle Leistung von immerhin 170 PS einsetzte.“

ROTE COCKPITBLENDE UND ZUSATZANZEIGEN.

Interieur des BMW 2002 turbo

Es lebe der Sport: Der Innenraum ist aufs Wesentliche reduziert. Geschaltet wird per Hand durch vier oder optional fünf Gänge.

Im Cockpit dominiert ein rote Zierblende. Sie fasst die drei Rundinstrumente ein und ist wie die beiden Zusatzanzeigen mittig auf dem Armaturenbrett – links Uhr, rechts Ladedruck – dem 2002 turbo vorbehalten. Sportsitze und Lederlenkrad gibt es serienmäßig. Auf der ebenen Türtafel verlieren sich die Fensterkurbel und das Drehrad zum Öffnen und Schließen des Dreieckfensters. Es geht spartanisch zu im Topmodell. Es geht um Sport. Dominantes, Generationen von sportbegeisterten Fahrern begleitendes Geräusch im Innenraum ist das Pfeifen des Turboladers.

Der Rundumblick im 02er BMW ist eine Schau. A-, B- und C-Säule sind filigran gearbeitet und fallen kaum auf. Dank der großen Glasflächen und niedrigen Schulterlinie genießt der Fahrer nahezu ungestörte Sicht in alle Richtungen. Die Rückbank bietet ausreichend Platz für zwei, zur Not auch drei Passagiere.

TOP-EXEMPLARE KOSTEN HEUTE ÜBER 100.000 EURO.

Auf Automobilbörsen wie mobile.de finden sich nur sehr wenige Exemplare des gesuchten Sammlermodells. Die Preise liegen allesamt über 100.000 Euro, ganz gleich, ob mit oder ohne Wertgutachten. Der optische Zustand ist fast immer sehr gut. Schon relativ früh begann der seltene 2002 turbo im Wert zu steigen. Halter, die kaum bis nie auf der Rennstrecke waren, dürfen sich über eine stattliche Wertentwicklung ihres Turbo-Pioniers freuen.

Insgesamt wurden bis Juni 1975 nur 1.672 Einheiten des Ausnahmeautomobils produziert und verkauft. Was aus der damals noch wilden und fast exzentrischen Innovation eines Abgasturboladers in einem Seriensportwagen wurde, ist hinlänglich bekannt.

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