Sie sind gleichermaßen energiegeladen und stilvoll. Zu Ikonen des Automobilbaus gereift die Älteren, Highend-Sportwagen mit souveränen Allroundeigenschaften die Neueren. Parallel zur Performance hat sich ein charismatisch geschliffenes Design entwickelt, das einen BMW zu einem M Modell werden lässt. Optische Details mit großer Wirkung. Features, die sich wie Perlen an einer Schnur durch die Jahrzehnte ziehen und zu immer neuen Schmuckstücken werden. Marcus Syring interpretiert die Ursprünge der Marke und bereichert sie um weitere Facetten. Er ist der Chef des BMW M Designstudios und erklärt die Design-DNA der Marke. Ein Artikel aus dem Buch "BMW M Love" zum 50-jährigen Jubiläum der BMW M GmbH.
DREI M3, EINE DNA: E30, E46 UND G80.
Der Mann weiß alles über die Seele dieser Marke – ihre Geschichte, ihre Position in der Gegenwart und ihren Platz im Übermorgen. Marcus Syring kreiert mit seinem Team höchst dynamische Automobile. Seit mehr als 30 Jahren ist er an Bord der BMW Group – inklusive leitender Designfunktionen bei MINI und Rolls-Royce. Kreativer Kopf auf der einen Seite, analytischer Konstrukteur auf der anderen. Wie ein Zeitreisender aus der Zukunft des Designs. Der Mann gehört zu denen, die aus dem Wesenskern von BMW das Morgen der Marke formen und BMW M zu deren purster Essenz verdichten. "BMW hoch zwei", so Marcus Syring. Wie aus dieser abstrakten Potenz seit drei Jahrzehnten und auch künftig Antrieb und Seele von BMW M werden, verdeutlich er am Beispiel des M3 verschiedener Epochen.
Das Tor einer Halle auf dem BMW M Gelände in München-Garching öffnet sich und ein aktueller M3 Competition (G80, seit 2021) rollt mit dem dumpfen Klang seines 510-PS-Sechszylinders hinein. Bereits in Position gebracht sind zwei seiner Vorgänger: der zeitlose M3 der Serie E46 (2000 bis 2006) und die Ikone, der erste M3 der Serie E30 (1986 bis 1991).
Bevor Marcus Syring an diesen 3ern den Kristallisierungsprozess eines M Modells erläutert, blickt er kurz in eine Zeit, in der es BMW M respektive die BMW Motorsport GmbH noch gar nicht gab. In die Zeit, in der BMW überhaupt erst entstand. Das ist wichtig, um zu verstehen, wie das heute so typische Design der Marke in die Welt kam, auf dessen Basis die Diamanten von BMW M geschliffen werden.
VOM FLUGMOTOREN- ZUM AUTOMOBILHERSTELLER.
DIE BMW NIERE AVANCIERT ZUM ERKENNUNGSMERKMAL.
LEGENDÄRE MODELLE DER NACHKRIEGSZEIT.
Marcus Syring: "Es kam die Nachkriegszeit, und damit begann die dritte BMW Phase. Das Unternehmen hatte wieder angefangen, Automobile zu bauen. Das Spektrum war extrem gespreizt: Die Bookends reichten von der kugelrunden Isetta und dem kleinen BMW 700 auf der einen bis zum hinreißend schönen V8 Barockengel auf der anderen Seite. Doch keines davon war ein massentaugliches Fahrzeug." Exkurs III: BMW schuf in den 50er-Jahren einige der schönsten Modelle aller Zeiten. Unter anderem den legendären BMW 507; Elvis Presley pilotierte einen davon. Doch wie von Marcus Syring umrissen, brachte kein Modell die Stückzahldimensionen, die das Überleben von BMW als eigenständiges Unternehmen gesichert hätten. Ende Exkurs III.
NEUE KLASSE: ALLEINSTELLUNG DURCH SYMBIOSE AUS SPORTLICHKEIT UND ELEGANZ.
Die Bayerischen Motoren Werke brauchten einen Neustart. Der erfolgte 1961 in Frankfurt auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) mit der Mittelklasselimousine 1500 – BMW sprach damals von der "neuen Klasse". Marcus Syring: "Mit dieser 'neuen Klasse' hat sich BMW gerettet und neu erfunden. Erstmals gab es nun diese einzigartige Kombination aus Sportlichkeit und Eleganz."
2002 TURBO: ERSTER VORGESCHMACK AUF DEN M3.
M3 E30: TRANSFERIERT DEN RENNSPORT IN DIE SERIE.
Auch hier wurde im Fall des E30 genau hingeschaut: Wo ist das Staufeld? Wie viel Luft braucht man da? Wir sehen zum Beispiel, dass die Frontpartie nach außen geöffnet worden ist, um so die Bremsluftschächte anzupassen.
M3 E46: DER M3 WIRD ATHLETISCH.
Durchzug: Die erstmals mit dem M3 E46 (unten) eingesetzten Kiemen prägen das Design der Baureihe bis heute, wie der G80 (oben) zeigt.
DUAL AUSGEFÜHRTE DESIGNELEMENTE SIND TYPISCH FÜR BMW M.
Die duale Ausführung bestimmter Designelemente ist ebenfalls ein klarer Bestandteil der M DNA. Dazu gehören jedoch nicht nur Bauteile wie die Doppelendrohre der Abgasanlagen oder die zwei Stege der Außenspiegelfüße (seit dem E36), sondern zahlreiche weitere Details.
Marcus Syring springt kurz zurück: "Als ich seinerzeit bei BMW anfing, da war der M3 E36 fast fertig. Es fehlten nur noch die Räder und Außenspiegel. Doch die Räder, die wir entwickelt hatten, gefielen Dr. Reitzle, dem damaliger Vorstand Entwicklung, nicht. Dann saß ich eines Abends in einem Biergarten in München und habe auf dem Bierfilz kurz überlegt: BMW hatte immer BBS-Räder. BBS steht für Kreuzspeiche. Dann Alpina: Die stehen für eine Radialspeiche. Und was machen wir jetzt für M? Da habe ich mir gedacht: Machen wir Doppelspeichen."
DESIGN IST IMMER TEAMARBEIT.
EIN KÜHLERGRILL SYMBOLISIERT ENTWEDER STATUS ODER SPORTLICHKEIT.
Wieder typisch M: die neuen Schmiederäder mit Doppelspeichen (hier 826 M) und ein leichtes Dach aus Sichtcarbon, wie es ähnlich 2003 erstmals im M3 CSL der Serie E46 eingesetzt worden war. Ebenfalls aus kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) gefertigt ist der markante, in der Mitte geteilte Heckspoiler – die aktuellste Evolutionsstufe des ehemals großen E30-Flügels.
"Wir wollten den natürlich richtig prägnant machen", so Marcus Syring. "Dann aber haben wir festgestellt: Der produziert zu viel Abtrieb. Und wenn ich hinten zu viel Abtrieb produziere, muss ich vorne auch wieder nachjustieren. Dann verschlechtert sich aber die Aerodynamik. Da haben wir gesagt, dass wir den Heckspoiler in der Mitte absenken und den Abtrieb allein über die Seiten so steuern, wie ihn unsere Fahrwerker benötigen. Maßgeschneidert. Das Schöne dabei: Er hat eine eigene Erscheinung und ist etwas Besonderes." Die mittig abgesenkte Höhe des Spoilers korrespondiert zudem mit den zwei Finnen im Carbondach des M3.
DIE BMW NIERE IST IMMER EIN TEIL DES EVOLUTIONSPROZESSES.
DIE M FRONTPARTIE DER NEUZEIT.
Also eine Mischung aus der Souveränität eines BMW 7er (vertikale Lamellen in der Niere) und der Sportlichkeit eines BMW 328 Mille Miglia (horizontal). Denn der erste M3 hatte neben der BMW Niere mit vertikalen Stegen links und rechts davon horizontal angeordnete Kühlergrillquerspangen. Marcus Syring: "Die pure Vertikalität in der Niere des M3 E30, das ist Status, Prestige. Und diese Breite – das ist flach, sportlich, das drückt es nach außen. Das ist semantisch die perfekte Übersetzung dessen, was BMW zu der Zeit ausgedrückt hat: sportliche Eleganz."
Das Vertikale und Horizontale des ersten M3-Kühlergrills verschmilzt im vertikal ausgerichteten Kühlergrill des aktuellen M3 mit seinen horizontalen Stegen zur M Frontpartie der Neuzeit. Syring: "Die ist vertikal orientiert, aber durch die horizontalen Doppelstege kriegen wir natürlich diese Power da rein. Nicht überstylt und doch radikal. Und es ist unique – da ist ein gewisser Kopierschutz drauf." Das ist der Punkt: BMW M setzt hier erneut einen Kontrapunkt gegen das Uniforme der Masse. Ein Blick auf elektrische Modelle im Stile des künftigen XM zeigt, dass BMW M auch im Zeitalter der Elektromobilität seiner Design-DNA treu bleiben wird.
BMW M LOVE.
Mehr exklusive Einblicke und Fotos noch nie gesehener M Automobile gibt es im neuen Buch „BMW M Love“. Jetzt erhältlich bei Delius Klasing und Amazon.