Der Motor läuft, der Fahrer sitzt hinterm Steuer. Das Werkstattteam ist bereit, auf sein Zeichen hin blitzschnell die wärmenden Heizdecken von den Reifen zu ziehen, synchron die Hebelstangen der hydraulischen Wagenheber nach links zu drehen und den BMW M2 so wieder auf seine eigenen Räder zu stellen, damit es losgehen kann. Im fliegenden Start auf die Nordschleife des Nürburgrings. Um Rekorde zu brechen.
MONATELANGE VORBEREITUNG.
„HUNDERTPROZENTIGE SERIENFAHRZEUGE.“
Es geht um Rekorde für Serienfahrzeuge und das nimmt BMW M ernst: Auch wenn das Team im Rahmen der Regularien Anpassungen an den Rekordautomobilen vornehmen könnte, machen sie es nicht. „Generell ist unser Credo bei Rekordfahrten: Wir verwenden hundertprozentige Serienfahrzeuge, die genau so gekauft werden können“, sagt Klaus Huber, der bei BMW M die Abteilung Fahrdynamik und Abstimmung leitet. Tritt ein Auto beispielsweise mit Carbondach und Schalensitzen an, sind diese genauso für das Modell zu bestellen. Auch die Track Reifen stammen aus dem BMW M Programm.
Es geht los: Alle vier Männer an den Wagenhebern heben den Arm – das Zeichen dafür, dass der BMW M2 heruntergelassen wurde und die Heber sich nicht mehr unter dem Fahrzeug befinden. Das Rekordfahrzeug fährt auf die Nordschleifen-Zufahrt zu. Direkt hinter dem BMW M2 fährt ein zweites M Automobil. Der auffällige BMW M3 Touring in der extrovertierten Lackierung Isle of Man Grün Metallic ist ein sogenanntes Rescue-Fahrzeug mit zwei Feuerlöschern an Bord. Im Fall eines Unfalls wäre der Fahrer schneller beim Rekordversuchauto als die Streckenposten zu Fuß und könnte direkt helfen.
DIE VORBEREITUNGEN LAUFEN.
Einen Tag vor der geplanten Rekordfahrt geht es richtig los. Die meisten Fahrzeuge fahren auf eigener Achse in die Eifel, wie es sich für ein echtes M Automobil gehört, das neben Rennstreckentauglichkeit auch perfekt Alltagsfahrten und die Langstrecke beherrscht. Nur streng geheime Modelle, die noch vor ihrer Präsentation stehen, kommen per Trailer. Das Ziel ist aber zunächst immer dasselbe: das BMW M Testcenter am Nürburgring. Die zugehörige Werkstatt ist bei Rekordversuchen die Schaltzentrale. Einen Tag vorher ist hier einiges los. Alle Hebebühnenplätze sind belegt, Werkstattwagen werden mit leisem Poltern gezogen, das typische hohe Geräusch von Reifen auf Hallenboden ist allgegenwärtig. Die letzte Kontrolle der Fahrzeuge läuft.
DER TÜV MUSS SEIN GO GEBEN.
Heute werden die Fahrzeuge nicht nur für ihren Rekordversuch auf der Nordschleife vorbereitet, der wichtigste Tagesordnungspunkt im Testcenter ist die Abnahme durch den TÜV. Der Prüfingenieur untersucht die Fahrzeuge akribisch. Seine Freigabe ist die Voraussetzung dafür, dass der morgige Rekordversuch stattfinden darf. Das Prozedere geht dabei deutlich weiter als eine reguläre Hauptuntersuchung. Die BMW M Modelle werden zusätzlich gewogen, die Fahrgestellnummern abgeglichen und die verschiedensten Bauteile wie Felgen, Fahrwerk und Motor überprüft. Der TÜV dokumentiert alles schriftlich und schießt Fotos. Bevor es am nächsten Tag an den Rekordversuch geht, begutachtet der Prüfer die Autos erneut kurz und überwacht die Vorbereitungen an der Strecke. Ein engmaschiger Prozess, um sicherzustellen, dass wirklich Serienfahrzeuge antreten.
Der zweite Offizielle und eine der wichtigsten Personen am Tag des Rekordversuchs ist der Notar. Vor dem Start bestätigt er die TÜV-Abnahme, kontrolliert die Zeitmessung und positioniert sich dann an der Touristeneinfahrt des Nürburgrings. Hier wird die Zeit genommen und von ihm beglaubigt.
LETZTE ABSPRACHEN.
Die perfekte Einstellung von Fahrwerk, Motor, Getriebe und Co ist serienmäßiger Bestandteil unserer Fahrzeuge: Rekorde fahren wir im auf den Nürburgring abgestimmten Modus SPORT.
Der rekordhungrige BMW M2 und das Rescue-Fahrzeug fahren auf der Döttinger Höhe ein und verschwinden aus dem Sichtfeld. Die letzten Motorengeräusche verklingen. Das Team hat den beiden BMW M Automobilen kurz hinterhergeschaut und dann direkt mit den Vorbereitungen für die nächste Runde begonnen. Das Werkstattteam ist nun in einem weißen Pavillon am Rand beschäftigt. Sie stehen inmitten von mehr als einem Dutzend Radsätzen, die meisten verpackt in Heizdecken. 70 Grad ist die Idealtemperatur für die Pneus der meisten M Modelle. Mit einem Ratsch öffnen sie die Klettverschlüsse – der nächste Satz wird warm eingepackt. Dazwischen ist immer wieder das leise Zischen des Luftdruckgerätes zu hören. Der Reifendruck muss perfekt passen, damit alle vier Räder später den bestmöglichen Grip auf der Strecke haben.
REKORDE BRAUCHEN GEFÜHL.
NUR DREI VERSUCHE.
Und diese Generalprobe ist bereits erfolgreich: Schon jetzt wäre der alte Rekord geknackt. Fahrer Jörg Weidinger spürt: Da geht noch mehr. Kaum steht das BMW M Automobil wieder am Ausgangspunkt, springt er aus dem Fahrzeug und notiert neue Reifendrücke. Er hat drei Versuche für dieses M Modell, dann sind alle frischen Radsätze aufgebraucht. Bereits gefahrene Reifen würden nicht mehr den Leistungspeak bringen, der zwischen einer schnellen Runde und einer Rekordzeit den Unterschied macht. Schon werden der neue Radsatz montiert und der Tank gefüllt und Jörg Weidinger startet den ersten Rekordversuch.
Kurze Aufregung an der Nordschleifeneinfahrt: Der BMW M2 auf Rekordkurs nähert sich der langen Geraden zwischen Döttinger Höhe und Tiergarten. Die Crew zieht es an die Strecke, einige zücken ihre Smartphones, um den Moment festzuhalten. In andächtiger Stille beobachten sie, wie das Rekordfahrzeug auftaucht und das Vogelgezwitscher vom anschwellenden Geräusch des sich nähernden Fahrzeugs übertönt wird. Pfeilschnell fliegt es vorbei und verschwindet auf der Anhöhe am Tiergarten. In einiger Entfernung folgt das grüne Rescue-Fahrzeug, das nun wieder in die Nordschleifeneinfahrt einbiegt. Das letzte Stück bis zur Lichtschranke, die die Zeitmessung beendet, muss das Rekordfahrzeug allein bestreiten.
Wir wissen im Prinzip, was die Fahrzeuge zu leisten imstande sind. Aber letztendlich sieht man erst am Tag des Rekordversuchs, ob alle kleinen Faktoren wie Streckenzustand und Wetter passen.